Mein Dank geht an die Mittelbayerische Zeitung und die Autorin Michaela Schabel, sowie an den Fahrensmann Ansger Neher.

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Anton Kichmairs Lieblingsbild, mit dem er sich den Verlauf seines Lebens gern gewärtigt, ist das eines vielfach verschlungenen Flusses. Einen solchen habe er auf seinem Rückflug aus Japan einstmals gesehen, sagt er, als der Flieger über Sibirien stundenlang dem Verlauf eines solchen Flusses folgte. Da lag sie unter ihm, mäandrierend, in pausenlosen überraschenden Wendungen, die Metapher seines Lebens. Heute ist er bald 70, aber immer noch so dauerhaft jung wie ein Fluss, den pausenlos neues, unverbrauchtes Wasser nährt. Denn Kirchmair, zu Hause im Bayerischen Wald direkt an der Grenze zu Tschechien, fließen ebenfalls ständig neue, nährende Ideen zu, die er, mäandrierbereit, zu dauernden neuen Lebensschlingungen, Windungen und Wendungen nutzt. "Man soll", sagt er, "immer dorthin gehen, wo einen keiner vermutet."


Kirchmair war also nacheinander Werkzeugmacher, Seemann, Student, Kunsterzieher, Künstler, zuletzt auch Schriftsteller. Es sind diese spontanen Wendungen, die ihn ausmachen, die Versuchungen, dauernd etwas Neues zu versuchen. Dabei macht er, als Arbeiterkind geboren, dann Autodidakt, keinerlei Unterschiede zwischen den Tätigkeiten. Ob Seemann, Koch oder Künstler: Wichtig sei, alles, was man tue, mit großer Hingabe zu machen. Auf der Frankfurter Buchmesse des vergangenen Jahres hat er für Furore gesorgt, weil er als Kleinstverleger sein erstes Buch auf einem vier Quadratmeter großen Messestand Besuchern vorgelesen hat. Inhalt und Gestaltung des Buchs, der öffentliche Vortrag: ein Tun in einem Guss. Also eine weitere Flusschleife und eine Handlung als Folge größtmöglicher Spontaneität: Der Messestand wurde gebucht, bevor die erste Zeile geschrieben war. 


Kirchmair machte wie immer prinzipiell alles selbst: Verleger, Autor, Schriftsetzer, Grafiker. Das Buch mit dem Titel "Drei Silben" ist kein gewöhnliches, der Text liegt gefaltet wie ein Leporello zwischen den Buchdeckeln und steckt in einem Glaskörper. Auflage: 50 Stück. Preis: teuer. Inzwischen liest Kirchmair immer mal wieder öffentlich vor, sinnreich unterstützt vom Shanty-Chor der Marinekameradschaft Dingolfing und Umgebung. Denn "Drei Silben" ist eine Geschichte um einen jungen Seemann, der auf einem fernen Kontinent ein Mädchen trifft. In tropischer Atmosphäre liegt die Liebe dauerhaft in der Luft. Das Meer dient als Metapher der Ferne, wie in Franz Kafkas "Heizer" oder Malcolm Lowrys "Ultramarin". Kirchmairs Erzählung ist sinnlich, es herrscht starker Impressionismus.


Wie ist es, in dickem Nebel oder tiefster Nacht auf einem Schiff auf dem Ozean unterwegs zu sein? Kirchmairs aktuelle Ausstellung in der Katholischen Akademie in Bayern befasst sich – unter dem Titel "Von der Schwärze der Nacht" – vermittels Kaltnadelradierungen auf Papier mit der Frage des Lichts hinter der Schwärze. Grundlage dafür ist jene – ebenfalls sehr sinnliche – Beobachtung: Wer lange genug ins Dunkel starrt, wird dort zunehmend vages Licht wahrnehmen und Gestalten und Konturen jenseits des Alltäglichen und Taghellen gewärtigen. Diese sich aus dem Dunkeln wölbende zweite Wirklichkeit dient Kirchmair auch als religiöse Metapher, als Bild jenseits der Realität, als Bild des des Glaubens: die Schwärze als willkommener Hintergrund für neues Licht und neue Hoffnung.


Schwärze ist so betrachtet ein Neustart für das Sehen, für eine Veränderung des Blicks. Deshalb greift der Niederbayer gern auch auf alte Materialien seines eigenen Schaffensprozesses zurück, um, auf ihnen aufbauend, sie verändernd, neue Sichtweisen, neue künstlerische Fließrichtungen zu entwickeln. So ist die Grundlage vieler jetzt in München zu sehender Werke die Bearbeitung von Blättern des Katalogs einer früheren Ausstellung: Dessen Bearbeitungen durch Radierungen und Risse ergeben Materiallanschaften, hinter denen die nächtlichen Schattenwelten hindurchscheinen.


Anton Kirchmair: Von der Schwärze der Nacht. Katholische Akademie Bayern, Mandlstr. 23. Bis 27. März Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr.