ANTON KIRCHMAIR                    WERK          AUSSTELLUNG          VITA          PRESSE         KONTAKT


Messe Leipzig
Halle „fünf“
Reihe „f“
Stand „zwozwoeins“
namenlose
vier Meter im Quadrat
zweifünfzig hoch
auf dem Boden
grauer Filz
vier Leuchten
ertränken die Wände 
mit ihrem Licht
zwei davon habe ich
nach oben gedreht
mag ihr Glanz das Grau
der Halle trinken
die vormontierten Regalböden
habe ich bis auf vier ausgebaut
mein Stand ist der schönste
sagen die Leute
und der einsamste
sagt niemand
das sieht man
zwei junge Damen 
rote Kleider
ausgeschnitten bis zum Nabel
die Brüste benetzt
flammende Schwerter 
in den Händen
Kämpferinnen 
aus fernen Landen
gebückte Haltung
von hier

im Rücken der Insel Applaus
Stimmen lauter Sprecher
ich wende mich ab
beantworte 
keine Blicke mehr 
die Feuerwehr 
geht hin und her
der Notarzt mit
dem Wiederbelebungsgeraät
auf dem Rücken
ich sehne mich 
nach dem Schnee der Straße
der sibirisch tiefen Ebene
seiner Kälte und Frische
Tragetaschen
in den Händen
über der Schulter
der Kopf von Karl Marx
grüß Gott da bin ich wieder
Wasserflaschen in den Händen
ich habe Durst
geh auf die Toilette
ich hab mich in dir verloren
nein nicht in deinem Labyrinth
da kommt ein grüner Schopf
geht langsamer und schaut 
geht vorbei 
vorbei vorbei
warum sitze ich hier
Sumervogel 
ein Konglomerat von 
Anton Kirchmair

meinen Sumervogel habe ich 
wie viele meiner Texte
an die hundert mal geschrieben
zuerst schreibe ich das Wort  
das gerade in meinem Kopf ist 
wenn es dann auf dem Blatt steht 
schau ich es an und frage mich
ob es sich irgendwie freut
dass ich es in die Welt gesetzt habe
warte darauf dass es mich anlächelt
aber das Wort
geht seine eigenen Wege
tut als ob es mich 
nicht kennen würde
gehört jetzt einem anderen 
dem Blatt vielleicht
oder sich selbst
schaut mich vielleicht gerade noch an
aber dann senkt es den Blick
schlägt seine Augen nieder
oder streckt mir gar 
die Zunge heraus
dann bin ich beleidigt
schmeiß es weg 
in den Kübel damit 
und am nächsten Tag 
wenn ich dran vorbei geh
hab ich ein schlechtes Gewissen 
wegen dem ganzen Schmodder
dann tut es mir 
wieder leid und ich sag mir 
was kann denn das Wort dafür 
dass ich mich so dumm anstelle 
dann nehm ich es wieder heraus
aus dem Kübel rede mit ihm 
versuch es zu verstehn
glaub dass es gerne 
einen Nachbarn hätte
den schreib ich dann hin
und dann geht die Gaudi 
wieder von vorne los
nur dass ich es jetzt 
mit zweien zu tun hab 

sich habe versucht 
ihn mit meinen Kopf zu verstehen
ich habe versucht
ihn vom Kopf auf das Papier zu bringen 
und vom Papier wieder zurück 
zu meiner Zunge
 in meinen Mund 
in meine Ohren 
in meine Augen

ich habe meine Zunge befragt
und meine Ohren 
wie das hören
wasm ihnen die Zunge gesagt
so wie ich das immer mache
dass die einzelnen Gedanken zu einzelnen Formen werden dass die Zeilen
gelesen verändert
geflüstert verändert geschrieen verändert
ich habe versucht
ihn in meinen Mund hineinzubringen
ihn mit meiner Zunge bekannt zu machen
mit meinem Gaumen
mit meinen Lippen
und umgekehrt
manchmal versuche ich ihn auch zu singen
mit der Gitarre auf dem Schoß

mein Buch ist etwa 23 cm hoch 8 cm breit und 1,4 cm dick es wiegt 43 Gramm
und besteht aus vier Teilen 

Gummifaden 
Textausschnitt 

das Leporello 
ist aus Reispapier 
von bester Museumsqualität 
es besteht aus einer einzigen Papierbahn 
von etwas mehr als drei Meter Länge
ist über vierzigmal 
von Hand gefalzt und gefaltet 
einmal links und einmal rechts 
sehr zeitraubend 
sehr schwierig 


der Umschlag aus Büttenkarton
in bester Museumsqualität
ist ebenfalls mehrmals 
von Hand gefalzt und gefaltet


der Gummifaden
ist aus weiß der Kuckuck was
aus Gummi und Faden halt
die Hohenwarter Christl
die tapfere Näherin 
aus Auersbergsreut
hat ihn mir geschenkt

die Textausschnitte hab ich
aus Probedrucken herausgeschnitten
ich wollte sie nicht wegwerfen 
sie waren genauso mit dabei
sie dürfen auch mitspielen
ich wollte sie zuerst aufkleben
aber die Kleberei nervt

so habe ich sie 
unter das Gummiband geklemmt
Luft und Schatten haben darunter Platz
ein kleiner Wind könnte sein Spiel treiben
aber aufpassen muss man sehr
denn verletzt sind sie gleich